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Die Kehrwoche

17.09.15 die Hausordnung - schon 300 Jahre alt

Ich habe mich mal mit einer schwäbischen Besonderheit beschäftigt die mir schon immer viel Freude bereitet hat.

Was ich so dabei gelernt habe, darüber möchte ich euch heute einen kleinen Vortrag halten, auch um ein paar Dinge bei euch mal wieder etwas aufzufrischen.

 

Als ich vor 26 Jahren nach B-W gekommen bin  und wir unsere Wohnung bezogen haben, hing an der Wand ein Schild mit einem Besen.

 

Mir war sofort klar, dass ich dran war mit der Hausordnung, so hieß bei uns diese Reinigung.

 

Hier nennt man es Kehrwoche und sie gehört zu den Gesetzmäßigkeiten des geordneten Lebens, auch noch nach 300 Jahren. So alt ist die Kehrwoche.

 

Im Duden steht folgendes:

Kehrwoche , Substantiv, feminin

Gebrauch deutsch, besonders im schwäbischen

Bedeutung: Woche, in der eine Mietpartei verpflichtet ist, Treppe, Bürgersteig oder ähnliches zu reinigen

 

Wer hat sie eigentlich erfunden. Darüber wird nicht nur beim Schweizer Kräuterbonbon, sondern auch bei der Kehrwoche heftig gestritten.

Böse Zungen behaupten, der Putzfimmel der Schwaben hat seinen Ursprung in Frankreich. Als Napoleon regierte, erließ er viele Bestimmungen zur Reinhaltung der Straßen, auch in den angegliederten Gebieten, also auch in Baden.

 

Aber davon wollten die Schwaben nichts hören.

Die gängigere Meinung ist, das die schwäbische und württembergische Kehrwoche auf einer Vielzahl von Erlassen beruht, um die Menschen zu Ordnung und Sauberkeit im häuslichen Umfeld anzuhalten.

 

So stand es bereits im Stuttgarter Stadtrecht von 1492 welches Eberhardt im Barte aufgesetzt hatte.

Damit die Stadt rein erhalten wird, soll jeder seinen Mist alle Wochen hinausführen, jeder seinen Winkel alle vierzehn Tage, doch nur bei Nacht sauber räumen und wer kein eigenes Sprechhaus(WC) hat, soll seinen Unrath jede Nacht zum Bach tragen.

 

Doch im Jahre 1714 erließ Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg das damals erste eigenständige Gesetz, nämlich die erste Stuttgarter Gassensäuberungsordnung, die sieben Seiten umfasst und im Stuttgarter Staatsarchiv einzusehen ist.

 

Als geradezu frevelhaft wurde von vielen der  Beschluss vom 17.Dez.1988 angesehen. An diesem Tag hat Manfred Rommel die Kehrwoche für öffentliche Straßen und Gehwege abgeschafft.

Es sollte nur noch bei Bedarf gekehrt werden. Die Empörung war groß, man beharrte auf dem Recht  

auf die Kehrwoche. Schließlich gehörte die zum Schwaben wie der Trollinger und die Spätzle.

Aber den Kehwochen- Wütigen sei`s Trost, den meisten Mietern wird sie durch den Mietvertrag auferlegt.

 

Es gibt die kleine und die große Kehrwoche, was da alles dazu gehört muss ich euch ja nicht erst erklären.

Dem Schwaben wird ja nachgesagt, dass sie auch Briefkästen und Mülltonnen regelmäßig innen auswischt.

Wichtig ist, diese Kehrwochenpflichten am Samstagvormittag zu erledigen und unter einer hohen Lärmentfaltung und Staubaufwirbelung den Mitbewohnern zu zeigen, dass jetzt mal richtig sauber gemacht wird.

 

Nötig für die Kehrwoche sind ein Kehrwochenschild, eine Kittelschürze, ein Putzlumpen, eine Kudderschaufel, 0imer sowie ä  Bäsa.

 

1995 wollte ein Student sein Taschengeld aufbessern und hat bei Leuten angefragt, ob er die Kehrwoche erledigen könnte. Ein halbes Jahr später hatte er 180 Mitarbeiter, als er über 300 hatte, brach er sein Studium ab und gründete eine Firma.

 

Ja, bei der Kehrwoche verstehen die Schwaben keinen Spaß. Am 1.April 1988 wurde in der Volkshochschule Calw ein Kehrwochen-Kompaktkurs angeboten. Nichtschwaben mit keinen oder nur geringen Vorkenntnissen werden eine theoretische Einführung in die historisch-soziologische Bedeutung der Kehrwoche mit praktischen Übungen bekommen. Außerdem Materialkunde und das Erlernen der wesentlichen Griff- Halte- Schwung und Schrubbtechniken. In kurzer Zeit gingen fast 100 ernst gemeinte Anmeldungen ein.

Der Leiter wollte die vielen Lernwilligen nicht enttäuschen und führte den Kurs durch.

 

Die Kehrwoche wird auch in der Kunst  als  Vorlage verwendet, mal satirisch wie beim Kabarettisten Eberhard Sorg                                                                                             

                                                                                              

Nix zom Kehra semmer krank, endlich d`Kehrwoch, Gott sei Dank

Also schwätzet bloß koin Bäbb

Gail isch bloß der Bäsarepp

 

Der Schriftsteller Peter Härtling findet lobende Worte, die Kehrwoche führt eine Demokratische Praxis vor, Jeder kehrt den Schmutz für einen jeden weg, das ist praktizierter Bürgersinn..

Im Marquardt hat man das Theaterstück Sherlock Holmes und die Kehrwoche des Todes inszeniert.

Sogar Mörike hat zur Kehrwoche etwas zu sagen: Wer aufhört besser zu werden,hat aufgehört gut zu sein.

 

Der ehemalige Stuttgarter Bürgermeister hat die schwäbische Kehrwochen-Historie quasi neu geschrieben. In den 1990 Jahren ließ unter seiner Kampagne „Lets putz“ mit Eimer und Besen bewaffnete Bürger die Stadt blitzblank polieren, freiwillig natürlich.

 

Auch im Gesundheitswesen spielt die Kehrwoche eine Rolle. Würde sie nicht richtig durchgeführt, besonders im Winter, kann man auf dem glitschigen Gehweg stürzen und sich die verschiedensten

Knochenbrüche zuziehen.

Und nicht zu vergessen, die Kehrwoche hält freilich auch fit.

 

Allerdings setzte in den 90iger Jahren die Technisierung des Kehrdienstes ein. So brachte ein Schwäbischer Motorensägehersteller einen Laubbläser auf den Markt. Der wurde als windige Putzhilfe und Konkurrenz zu Besen und Rechen gefeiert, der Schwabe betrachtet die Technisierung allerdings skeptisch.

vorgetragen von Angela Adam